Hızır-Fasten
(Hızır orucu)
Jedes
Jahr wird die zweite Februarwoche als die „Woche von Hızır“ gefeiert. Hızır
(Chidir, Chadhir, Khizer) ist ein Schutzpatron, der Menschen in Not zur Hilfe
eilt. Mit „Eile herbei Hızır!“ wird er zur Hilfe gerufen. Alevitinnen und
Aleviten glauben daran, dass die Heiligen Brüder Hızır und Ilyas als Propheten
gelebt und das sogenannte „Wasser der Unsterblichkeit“ (Abu Hayat/ Abu Kevser)
getrunken haben, um den Menschen zu helfen, insbesondere Reisenden (in diesem
Kontext auch der/dem Reisenden auf dem mystischen Weg). Nach diesem Glauben
kommt Hızır auf Land, und Ilyas auf dem Meer zur Hilfe. Überlieferungen zufolge
helfen beide Menschen, die in Not geraten sind und „vom ganzen Herzen“ um Hilfe
rufen. Sie bringen den Menschen Glück und Wohlstand.
Nach einer
Erzählung soll Hızır das erste Mal von Gefährten Noahs zur Hilfe gerufen worden
sein, und das mit Menschen vollbeladene Schiff während der Seekatastrophe
geschützt haben. Nachdem das Schiff die drei Tage-Katastrophe überstanden hat,
sollen die Geretteten drei Tage lang gefastet haben, um Hızır ihre Dankbarkeit
zu zollen.
Der
Helfer Hızır wird in Anatolien als weißbärtiger Mann auf einem weißen Schimmel
charakterisiert: „Eile herbei lieber Hızır!“ wird gerufen, wenn jemand in Not
ist. Im Volksmund wird Hızır mit seinem Schimmel „bozatlı hızır“ genannt und
über ihn werden zahlreiche Geschichten erzählt. Hierbei kann eine Parallelität
mit dem heiligen St. Georg aus dem Christentum festgestellt werden.
In der
Hızır-Woche wird abends eine spezielle Speise (kavut) aus Weizen und Wasser
zubereitet, die über Nacht ruhen muss. Jedes Familienmitglied wünscht sich
etwas Besonderes. Die Vorstellung geht dahin, dass diese Wünsche in Erfüllung
gehen, falls Hızır über Nacht vorbeikommt und ein Zeichen auf dieser Speise hinterlässt.
Diese Speise wird am nächsten Tag in der Nachbarschaft verteilt. Jede/Jeder
versucht, Speisen von allen Familien zu kosten, damit sich die
Wahrscheinlichkeit erhöht, von der Speise gekostet zu haben, die Hızır gesegnet
hat.
Hızır als
Begriff nimmt einen großen Platz im Alltag ein. Viele Alevitinnen und Aleviten
legen ihre Gelöbnisse im Namen von Hızır ab und bitten um Etwas im Namen von
Hızır. „Hızır sei Dank“, „Hızır möge kommen“, „Es möge das Mahl von Hızır sein“
sind einige bekannte Sprüche. In manchen Gegenden wird Kindern, Bergen, Seen,
Wegen etc. der Name Hızır gegeben. Es gibt sogar ein religiöses Semah-Ritual
namens „Hızır semahı“.
Auch in
Deutschland bereiten sich alevitischen Gemeinden für diese Feier vor. Die
Räumlichkeiten werden gründlich gereinigt, da angenommen wird, dass Hızır
ordentlichen und sauberen Orten ein Besuch abstattet. Alevitische Gemeinden in
Deutschland halten während der Fastenzeit mindestens einen Gottesdienst (Hızır
Cemi) in den Cemhäusern ab, wobei Hızır das Hauptthema des Rituals ist.
In dieser Woche wird 3 Tage lang gefastet. Am letzten Tag wird in der
Wohnung und vor der Haustür für die Feier geputzt. Am Abend werden die
vorbereiteten Speisen an den heiligen Gedenkstätten bzw. Cemhäusern mit allen
Besuchern gemeinsam verspeist. Am letzten Abend werden auf den Friedhöfen in
der Umgebung Kerzen angesteckt und zu Hause den Kindern Geschichten von Hızır
erzählt.