Hintergrund


Aleviten fallen in unserer modernen Gesellschaft nicht auf, weil sie sehr anpassungsfähig sind. Sie tragen keine spezielle Kleidung oder Kopfbedeckung, die auf ihre Kultur oder Religion hinweist. Aleviten bekennen sich zu Humanität und Demokratie, deshalb kommt ihnen unsere Staatsform entgegen. Scharia, das islamische Gesetz, lehnen Aleviten ab. Das ist der wichtigste Unterschied zu den Sunniten. Aleviten kennen keine Pflichtgebete. Aleviten brauchen zum Beten keinen besonderen Raum und keine spezielle Zeit. Jede Alevitin und jeder Alevit betet dann und dort, wo er oder sie will auf eine Art, wie es ihm oder ihr entspricht. Der Koran ist für Aleviten kein Gesetzbuch, sondern die Niederschrift von Offenbarungen, die kritisch gelesen werden dürfen. Mann und Frau sind gleichberechtigt. Zu anderen Religionen, Glaubensbekenntnissen und Ideologien haben Aleviten ein sehr offenes Verhältnis. Auf eine undogma- tische Weise fühlen sie sich der Humanität verpflichtet. Die Menschenrechte im ganzen sowie die Meinungs- und Religionsfreiheit im speziellen werden von ihnen ausdrücklich bejaht. Jedem Menschen wird ausdrücklich das Recht auf einen eigenen Glauben zugestanden. Cem bedeutet Kreis, Ring und ist eine religiöse und soziale Versammlung, die mindestens einmal jährlich abgehalten wird. Ein Cem besteht aus verschiedenen Teilen und deckt wichtige Aspekte des religiösen und sozialen Lebens ab.




Quelle: Bayram Özer


Gericht und Versöhnung, Belehrung und Spiritualität beinhaltet diese Versammlung, die wahrscheinlich auf uralte Formen zurückgeht. Ansprachen und Unterweisungen von Dedes und von Laien, Gebete und Segnungen folgen sich im Ablauf, der mehrere Stunden dauert. Semah, der kultische Tanz zu den Klängen der Saz, ist ein weiterer wichtiger Faktor. Jede Person bringt nach Möglichkeit etwas Essbares mit. Das gestiftete Essen wird am Schluss der Zusammenkunft an alle Anwesenden verteilt. Ein wichtiger Unterschied zu einem sunnitischen Gebet darf nicht ausser acht gelassen werden: die Sprache. Im Cem wird ausschliesslich türkisch verwendet. Beim Cem kommt die Saz zum Einsatz. Die Saz ist ein traditionelles Instrument, das an eine Laute erinnert und in der Türkei und in den umliegenden Ländern weit verbreitet ist. Die Saz ist ein Bestandteil der Kultur und wird von vielen Menschen gespielt. Alevismus ohne Saz ist schwer vorstellbar; Cem ohne Saz ist sogar praktisch undenkbar. Deshalb werden möglichst viele Aleviten im Spiel der Saz angeleitet. 

Quelle: Baumann, C. Peter http://www.relinfo.ch/aleviten/info.html, 2000



Quelle Bayram Özer


Aleviten und Alevitentum

Das Alevitentum ist eine humanistische, naturverbundene, tolerante, weltoffene, Bescheidenheit und Nächstenliebe ausstrahlende Glaubenslehre. Die Auseinandersetzung mit sich selbst spielt im Alevitentum eine wichtige Rolle. Ziel ist es ein vollkommener Mensch zu werden. In der religiösen und kulturellen Praxis der Aleviten spielen Poesie, Tanz und Musik- insbesondere das Spiel auf der türkischen Langhalslaute, die Saz genannt wird - eine große Rolle. Zudem steht das Alevitentum als zeitgenössischer „Weg“ stets auch im Einklang mit den Erkenntnissen der Wissenschaft. Ungefähr 95% aller Aleviten stammen aus der Türkei. Dort bilden sie mit ca. 20% nach den Sunniten die zweitgrößte Religionsgemeinschaft. Sie leben in allenProvinzen der Türkei, die meisten sind aber in Zentralund Ostanatolien zu Hause. Durch Migrationsbewegungen sind inzwischen in vielen Ländern aktive Alevitische Gemeinschaften ansässig so auch in Deutschland.


Quelle: Aleviten“ Alevi Bektasi Inancinin Temel Kavramlari von Dr. Özgür Savasci 


Aleviten in Deutschland
  • In Deutschland leben zwischen 600.000 - 800.000 Aleviten. Das heißt 25 - 30% der Personen mit türkischem Migrationshintergrund in Deutschland sind Aleviten.
  • Die Alevitische Gemeinde setzt sich sowohl aus ursprünglich türkisch-sprachigen, kurdischsprachigen und zaza-sprachigen Menschen zusammen.
  • Die Alevitische Gemeinde ist in Deutschland eine rechtlich anerkannte Religionsgemeinschaft.